Das autonome Nervensystem beruhigen – wie funktioniert das und warum ist das wichtig? Wenn Du an Hyper- oer Hypoarousal oder daraus resultierenden Problemen leidest, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Dein autonomes Nervensystem durch Trauma überreizt ist. Es ist entscheidend für unsere Überlebensmechanismen, denn es reagiert auf Gefahr und Sicherheit in unserer Umgebung.
Somatic Experiencing (SE), ein von dem Biophysiker, Psychologen und Psychotraumatologen Dr. Peter Levine entwickelten körper-orientierten Therapie-Ansatz zur Behandlung von Trauma und Stress, hat das Ziel, die Selbstregulation des Nervensystems zu fördern und durch körpertherapeutischen Methoden Spannungen zu lösen, Stress zu verarbeiten. So kann wieder ein Gefühl von Sicherheit im Körper entstehen und das Nervensystem kann sich beruhigen.
Die Hauptzweige des autonomen Nervensystems sind der ventrale Vagus, der dorsale Vagus und der Sympathikus:
Der ventrale Vagus
Der ventrale Vagus ist Teil des parasympathischen Nervensystems und wird in der Polyvagal-Theorie von Stephen Porges als „soziales Engagement-System“ bezeichnet, da er für soziale Interaktionen, Verbundenheit und Resonanz verantwortlich ist. Wenn der ventrale Vagus aktiv ist, befinden wir uns in einem Zustand von Ruhe und Sicherheit, was uns ermöglicht, offen zu sein, Kontakt aufzunehmen und zu kommunizieren.
In Somatic Experiencing wird der ventrale Vagus gefördert, indem Sicherheit und ein Gefühl der Kontrolle im therapeutischen Rahmen geschaffen werden. Techniken wie achtsame Selbstwahrnehmung und langsame, gezielte Bewegungen können helfen, die Aktivität des ventralen Vagus zu stimulieren und den Körper in einen Zustand der Sicherheit und Entspannung zu versetzen. Das Ziel ist, eine stabile Verbindung zu diesen Empfindungen von Sicherheit aufzubauen, sodass der Körper lernt, auf diese Ruhe als Grundzustand zurückzugreifen.
Der dorsale Vagus
Der dorsale Vagus, ebenfalls ein Zweig des Vagusnervs, ist in erster Linie für tiefere Zustände der Immobilisation verantwortlich, die mit der sogenannten „Erstarrungsreaktion“ (Freeze) einhergehen können. Wenn der dorsale Vagus aktiv ist, fährt der Körper seine Aktivität herunter, um sich zu schützen. Dies geschieht häufig in Situationen extremen Stresses oder Gefahren, in denen weder Kampf noch Flucht eine Option sind. Der Körper kann dadurch eine Art „Notabschaltung“ durchleben, was zu Gefühlen von Taubheit, Ohnmacht oder Dissoziation führen kann.
In SE ist es wichtig, diesen Zustand behutsam zu erkunden, um eingefrorene Reaktionen schrittweise zu lösen. Dies geschieht durch achtsame Körperwahrnehmung, sanfte Bewegungen und die Arbeit mit Grenzen. Der Therapeut hilft dabei, den Klienten zu ermutigen, nach und nach kleine Impulse der Lebendigkeit und Bewegung zuzulassen, sodass das Nervensystem wieder in ein ausgewogenes Verhältnis zurückfindet. Ziel ist es, das System zu stärken, damit es schneller aus diesem immobilisierten Zustand herausfinden kann, ohne in alte Muster zurückzufallen.
Der Sympathikus
Der Sympathikus ist jener Teil des autonomen Nervensystems, der für die Aktivierung und Mobilisierung des Körpers verantwortlich ist. Er ist dafür bekannt, den „Kampf-oder-Flucht„-Modus zu aktivieren, wenn eine Bedrohung wahrgenommen wird. In diesem Zustand bereitet sich der Körper auf Handlung vor: Herzfrequenz und Blutdruck steigen, die Muskeln spannen sich an, und das Bewusstsein wird geschärft. Dies sind gesunde und natürliche Reaktionen, die in gefährlichen Situationen das Überleben sichern können.
Im Rahmen von SE wird darauf geachtet, dass das sympathische System in einem kontrollierten und behutsamen Umfeld aktiviert und wieder beruhigt wird. So können Klienten lernen, ihre Energie besser zu regulieren und Anspannungen auf sichere Weise abzubauen. Dies stärkt die Fähigkeit des Nervensystems, flexibel und anpassungsfähig zu bleiben, ohne in chronische Anspannung zu verfallen.
Das Nervensystem beruhigen mit Somatic Experiencing
Im Somatic Experiencing ist das Ziel, ein Gleichgewicht zwischen dem ventralen Vagus, dem dorsalen Vagus und dem Sympathikus herzustellen. Durch achtsames Beobachten und Erspüren der eigenen inneren Zustände wird das Nervensystem stabilisiert, sodass der Klient lernt, seine eigenen Grenzen zu spüren und selbstständig aus dysfunktionalen Mustern auszusteigen. Wenn der Klient beispielsweise das Pendeln zwischen Aktivierung und Entspannung erfährt, kann er eine größere Resilienz und ein tiefes Körperverständnis entwickeln.
SE hilft Menschen, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten, indem es nicht direkt das Erlebnis selbst, sondern die körperlichen und autonomen Reaktionen darauf bearbeitet. Durch diesen Prozess kann der Körper schrittweise lernen, stressige Reize besser zu bewältigen und in einem Zustand von Sicherheit und Wohlbefinden zu ruhen.
Das Zusammenspiel von ventralem Vagus, dorsalem Vagus und Sympathikus ist komplex, jedoch essenziell für unser emotionales und körperliches Wohlbefinden. Im Somatic Experiencing wird dieser Prozess durch gezielte Techniken unterstützt, die das Nervensystem beruhigen, Resilienz stärken und Heilung auf tiefer Ebene ermöglichen.
Ergänzend können auch Ego State Therapie und traumasensible Hypnose wirksam eingesetzt werden.
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9 Antworten auf „Das autonome Nervensystem beruhigen – aber wie?“
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